Der gewaltsame Tod einer jungen Kurdin im Iran und die darauf folgenden Massenproteste wären eigentlich Grund für Linke auch in Deutschland auf die Straße zu gehen. Nur: Fehlanzeige!
Am 21. September fand vor dem Bundeskanzleramt eine von Kazem Moussavi organisierte Kundgebung in Gedenken an Jina/Mahsa Amini und gegen das islamistische Mullah-Regime in Iran statt. Wie zu erwarten waren viel zu wenig Leute da, ca. 50 Personen, viele davon Exil-Iraner. Dass die Menschen, und insbesondere die Frauen und LGBTs in Iran von westlichen Linksliberalen bis Linksradikalen schon seit Jahrzehnten größtenteils im Stich gelassen werden, ist leider nichts Neues, denn keinesfalls ist es so dass Fälle wie der von Jina (ihr eigentlicher kurdischer Name) Amini ein Einzelfall sind.
Das iranische Terrorregime hat in den letzten Jahrzehnten zehntausende Menschen ermordet, und das nur innerhalb der eigenen Staatsgrenzen. Allein dieses Jahr wurden schon mindestens 400 Menschen hingerichtet, darunter auch mindestens 2 Minderjährige und 12 Frauen. Diese Zahlen schließen noch nicht die zu Tode Gefolterten, Verschleppten und bei Protesten von der Polizei oder den Revolutionsgarden Ermordeten ein. Auch große landesweite Proteste gab es in den letzten Jahren zu Hauf (wenn auch die aktuellen Proteste eine fast nie dagewesene Schärfe aufweisen). Ein großes Medienecho blieb meist aus, von Großteilen der linken Bewegung ganz zu schweigen. Doch der Mord an Jina Amini ging nun um die Welt und erfährt eine große Thematisierung durch die Medien. Umso unbegreiflicher ist es, warum dies kein Anlass für westliche Linke ist, sich endlich mit den freiheitsliebenden Menschen in Iran zu solidarisieren. Wieso also das linke Schweigen diesbezüglich?
Eigentlich sollte der Mord an Jina Amini, sowie die darauf folgende Protestwelle in Iran, ein großes Mobilisierungspotential im Westen haben: Eine Kurdin die durch Polizeigewalt stirbt (Stichwort Intersektionalität). Als George Floyd 2020 von der US-amerikanischen Polizei ermordet wurde, gab es (zu Recht!) eine riesige weltweite Protest- und Solidarisierungswelle. Wieso also nicht auch hier?
Mär vom Hijab als Symbol für Empowerment
Für postmoderne Antirassisten, die stets die Mär vom Hijab als angebliches Symbol für Empowerment verbreitet haben, und Antiimperialisten die in Iran fast schon einen Verbündeten im Kampf gegen den Westen und Israel sehen, würde eine Solidarisierung mit den Protesten gegen das klerikalfaschistische Regime eine kognitive Dissonanz darstellen. Über Jahre haben sie nun verkündet, dass jegliche Kritik am Islam stets „islamophob“ sei (wer sich ein Mal die Mühe gemacht hat sich mit der Genese dieses Begriffs auseinanderzusetzen, würde diesen im Übrigen sowieso nicht verwenden).
Das Kopftuch wurde von vielen westlichen Linken (übrigens ganz der Doktrin Khomeinis folgend) zum Widerstandssymbol verklärt. In kulturelativistischer Manier haben sie Islam und Verschleierung zu einem essentiellen Bestandteil der „Kultur“ von Menschen aus der MENA-Region (Middle East/North Africa) stilisiert. Kritik daran wurde, selbst wenn sie von Menschen aus dieser Region kam, stets mit dem Vorwurf der Anbiederung an den Westen und des „antimuslimischen Rassismus“ (auch diese Begriffsschöpfung sollte einem bei näherer Betrachtung bitter aufstoßen) beantwortet. Sich jetzt mit den Protesten in Iran zu solidarisieren würde also bedeuten sich einzugestehen falsch gelegen zu haben. Denn die Protestwelle zeigt: Viele Menschen in Iran wollen in Freiheit in einem säkularen System leben und sehen im Hijab keineswegs einen unverzichtbaren Bestandteil „ihrer Kultur“.
Begriffe wie politischer Islam, Islamismus oder fundamentalistische Islamauslegung kommen nicht vor
Und dann ist da natürlich noch das „böse“ Wort Islamismus. Viele Gruppen die sich dem intersektionalem Feminismus, Postkolonialismus und Antirassismus verschrieben haben fühlten sich durch die große Medienaufmerksamkeit, die die Ereignisse in Iran aktuell erfahren, dazu genötigt ihr Schweigen zumindest zum Teil zu brechen und wenigstens ein, zwei Posts zu dem Thema zu veröffentlichen. Begriffe wie politischer Islam, Islamismus oder fundamentalistische Islamauslegung kommen darin nicht vor. Während zum Beispiel bei der westlichen Abtreibungsgegnerschaft (zu Recht!) stets darauf hingewiesen wird dass diese von christlichen Fundamentalisten und Evangelikalen getragen wird und bei Polizeigewalt (zu Recht!) der ihr zugrundeliegende systematische Rassismus aufgezeigt wird, weigern sich die Anhänger des postmodern-linken Spektrums, die dem Mord an Jina Amini zugrunde liegende Ideologie zu benennen.
Proteste gegen ein islamistisches Regime
Genau hier zeigt sich die Heuchelei dieser Bewegung. Ja, dieser Mord war eine Form von patriarchaler, misogyner Gewalt. Aber es war eine spezifisch islamistische Form dieser. Die Menschen in Iran gehen nicht gegen irgendein autoritäres Regime und seine Regeln auf die Straße, sondern gegen ein explizit islamistisches mit seiner Scharia-Gesetzgebung. Dies nicht klar zu benennen ist mindestens feige, wohl eher aber der klägliche Versuch das eigene postmoderne Ideologiekonstrukt aufrecht zu erhalten und sein Gesicht in der Öffentlichkeit zu wahren.
Dadurch bleibt die vorgeheuchelte Solidarität dieser Einzelpersonen und Gruppen nicht mehr als ein ihnen abgerungenes Lippenbekenntnis. Doch ein Problem zu bekämpfen ohne dieses klar zu benennen ist unmöglich. Die Nicht-Benennung des Islamismus der Islamischen Republik Iran durch westliche Akteure schadet so nämlich auch direkt den Menschen in Iran. Ihr Kampf wird nur mit westlicher Unterstützung zu gewinnen sein. Das bedeutet einen diplomatischen Boykott des Mullah-Regimes, ein entschiedenes Vorgehen gegen die Machthaber und vor allem ein Rückzug aus den Verhandlungen um das Atomabkommen.
Auf die Bundesregierung wird im Kampf gegen das Mullah-Regime auch hier wieder nicht zu hoffen sein, viel zu groß ist das wirtschaftliche Interesse weiter munter Geschäfte mit den Mördern in Teheran zu machen. Eine Linke die sich weigert diese Mörder als das zu benennen was sie sind, Islamisten und Terroristen, ist Teil des Problems.
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